Udo Nöger: Gleichfluss, 2000, Mischtechnik



 
UDO NÖGER – INNERE FERNE
 
BILDER UND OBJEKTE VON 1990 - 2011
11. SEPTEMBER BIS 6. NOVEMBER 2011


Das Osthaus Museum Hagen präsentiert über 50 Werke und eine Skulptur von Udo Nöger.
Von einer expressiv-figurativen Malerei in den 80ern über objektartige Werke zu Beginn der 90er Jahre führte Udo Nögers Weg zur Enthaltsamkeit gegenüber Farben und Formen, zur Einsicht gegenüber dem Phänomen ‚Bild’ als einer Einheit, die durch Spannung definiert ist. So bestehen seine Werke aus mehreren Leinwänden, deren vorderste das Innenleben der Bild-Objekte durchscheinen lässt.
Udo Nöger ist fasziniert vom Licht. Mit seiner Hilfe geht er seinem Interesse für Nähe und Ferne nach. Es entstehen Arbeiten an der Grenze von dreidimensionalen Erscheinen und transluzentem Verschwinden, ein Spektrum von fast monochrom wirkenden Arbeiten bis hin zu expressiveren Werken, letztlich an der Schwelle von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit.
Titel wie „Licht schlafend“, „Ineinander findend“ oder „Gleiches getrennt durch Anderes“ liefern Hinweise für Udo Nögers sensible Erforschung des Übergangs zwischen dem Materiellem und dem Immateriellen.




Tayfun Belgin
VON NAH UND FERN
Gedanken zur Bildästhetik Udo Nögers

I.
In der erstmaligen Anschauung der Werke Udo Nögers stellen sich unmittelbar Fragen ein, die sich auf das Phänomen Bild beziehen. Sind diese Werke tatsächlich durch einen malerischen Prozeß entstanden? Ist es Malerei oder gilt es, besser von Objektkunst zu sprechen? Und ferner: Wie erreicht der Künstler diese Tiefendimension, wie ihre „Gegenständlichkeit“? Sind die Werke von Innen beleuchtet?

Diese Fragen richten sich in aller Regel an die Ausdrucksqualität sowie den Entstehungsprozeß der Werke. Hiervon gilt es, die Ideendimension der Kunst Udo Nöger zu unterscheiden.
Wer den Maler von Beginn seiner künstlerischen Karriere kennt, wird die objektartigen Werke der letzten Dekade von den malerischen Werken der späten 80er und frühen 90ern unterscheiden. Dennoch ist es wichtig zu betonen, daß Udo Nöger in seiner künstlerischen Arbeit prinzipiell immer von der Begriff ‚Bild’ ausgeht, also in Bildkategorien denkt. Auf den ersten Anschein mag dies abwegig erscheinen: Doch die dreidimensionalen Arbeiten unterstützt sein Kunstwollen. Es ist weder eine Instanz, die sich konkurrenzierend gegen das Bild richtet, noch eine die das Bild verhindert.

In bezug auf die Werke Udo Nögers der letzten zehn Jahre ist bereits einiges über Licht, Raum, Monochromie und Objekt gesagt worden, zuletzt von Florian Steininger im Ausstellungskatalog „Light as a material II“. Um zusammen zu fassen, aber auch zu ergänzen, sei Folgendes angemerkt. Die Werke Udo Nögers bestehen aus drei hintereinander mit Abstand auf den Keilrahmen aufgezogenen Leinwänden. Die vordere und hintere beziehen sich auf die mittlere, aus der der Künstler Formen ausschneidet: Ovalartiges, Rundformen, Stäbe etc. Diese werden bisweilen mit Farbe bearbeitet. Die vorderste Leinwand wird zuletzt aufgespannt, nachdem sie vorher mit Mineralöl behandelt wurde. Dies sichert das Durchscheinen des Innenlebens der Bilder, ihre Transluzenz. Es ist diejenige Instanz, die das von Außen eindringende Licht konserviert.

II.
Diese Werke zu realisieren, setzt voraus, daß man als Maler über ausreichende Erfahrung sowie tiefere Einsicht in die Geschichte der Kunst verfügt. Udo Nöger ist ein vielgereister Künstler, der sich aus der provinziellen Enge seiner Heimat, dem in Westfalen liegenden Enger freimachte, um in den 90er Jahren in die USA auszuwandern und sich dort mithilfe eines Stipendiums in Denver, später New York, aufzuhalten. Stationen in Zentralspanien, auf der Insel Mallorca und in ganz Europa verstärkten ihn in der Ansicht, sich an diesen für ihn wichtigen Plätzen der Welt immer intensiver mit dem Miteinander von Kunst und Natur auseinander zusetzen.

Von einer expressiv-figurative Malerei in den 80ern über objektartige Werke ähnlicher Gestaltung zu Beginn der 90er führte Udo Nögers Weg schließlich zur Enthaltsamkeit gegenüber Farben und Formen, zur Einsicht gegenüber dem Phänomen ‚Bild’ als einer Einheit, die durch Spannung definiert ist.

Die Werke, die in der Galerie Feichtner ausgestellt werden, resultieren für mich aus der Summe der sinnlichen Erfahrungen aus dem Leben Udo Nögers. Mit „bewaffnetem Auge“ die Welt erschließend, gelangte der Künstler zu einer Reduktion seiner Elemente, die in der zeitgenössischen Kunst beispielhaft ist. Es ist die Schönheit in der Natur, die er bewußt erlebt, um sie hernach in seine Bilder zu transformieren; immer wieder und jedes mal mit neuer Begeisterung.

Die Bilder, wenn man diesen Terminus für diese Werke einmal voraussetzt, beziehen sich in ihrer formalen und inhaltlichen Substanz auf die abendländische Kunstgeschichte. Es ist das Licht, welches den Künstler fasziniert und der diesem in seinem Werk einen ehernen Platz sichert. Dieses Bildlicht, will nicht auf ewig gleich scheinen soll, sondern reagieren.

Udo Nögers Bilder gehorchen einer Lichtregie, die einen wachen Zustand von einem zurückgezogenen Sein unterscheidet. Das Licht ist permanent und doch ist es immer anders. Im Inneren des Bildes ist es immer dann intensiv, wenn die Lichtquelle eine natürliche ist. Bei künstlicher Bestrahlung verändert sich das Wesen der Bilder. Wir spüren ein verändertes Sein.

Licht repräsentiert in der Werken des 17. Jahrhunderts, bei Caravaggio genau so wie bei Rembrandt oder Georges de la Tour, Schönheit. Es ist Schönheit, Intensität und Stärke, die die Werke dieser Künstler, die sich mit dem Phänomen Licht intensiv auseinandergesetzt haben, auszeichnet. Die Impressionisten des 19. Jahrhunderts haben den Impuls aufgegriffen, um alltägliche Szenen zu nobilitieren oder gesellschaftliche Vorgänge zu kritisieren. Es ist evident, daß Udo Nöger nicht impressionistisch arbeitet. Allerdings scheinen nahezu alle seine Werke das flüchtige Element jener Periode, das Fließende und Verflüchtigende durchaus aufzunehmen.

Bei zahlreichen zweigeteilten Werken zeigt sich dieses Interesse für einen Übergang zwischen dem Materiellem und Immateriellen deutlich. Werke wie „Licht schlafend“, „Ineinander findend“ oder „Gleiches getrennt durch Anderes“ mögen Hinweise hierfür sein. Andere wiederum wie „Lichtarena“ formen erst gar keine materiell wirkenden Stäbe oder Kreise aus, sondern deuten bereits ein – gleichsam hingehauchtes – Oval an.

Das Entziehen der figürlichen Kräfte der bildimmanenten Gegenstände scheint ein weiteres Thema in der Kunst Udo Nögers zu sein. Seinen Werken ist eine dialektische Struktur inne, die es ihm erlaubt, je nach kompositionellem Gestaltungsprozeß immer wieder andere Formen aufzunehmen. Die dialektische Struktur besteht nicht nur in einer formalen Zweiteilung, sondern bildet den Ausgangspunkt seiner Bilder. Das Interesse für Nähe und Ferne, für materielles Erscheinen und immateriellem Übergang, von fast monochrom wirkenden Arbeiten bis hin zu expressiveren Werken, letztlich von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit ist Ausdruck eines Interesses, welches sich als ein dialektisches, und hierin zutiefst menschliches definiert. Wärme – Kälte, Flüssig – Fest und weitere Gegenüberstellungen bestimmen irdisches Sein. Und gerade an diesem orietieren sich diese Werke.

Licht ist von dieser Perspektive aus gesehen für Udo Nöger nichts anderes als ein sich Hinwenden zur Existenz, zur Welt. Diese besteht für den Künstler nicht aus einem weitläufigen Irrgarten voller Formen, sondern aus der Konzentration auf wesentliche Elemente. Seine Entscheidung statt gemalter Bilder Bildkörper, Bild-Objekte herzustellen, steht offensichtlich in diesem Zusammenhang.

Das Objekt ist eines, welches man haptisch wahrnimmt, nicht nur in der Illusion. Der Zusammenhang zu Werken Lucio Fontanas, der seine weißen Bilder mit einem eleganten Schnitt in dreidimensionale Werke transformierte, ist bei Udo Nögers häufig dargestellt worden. Die Bilderfindung Fontanas liegt mittlerweile über fünf Jahrzehnte zurück und meines Erachtens ist für Udo Nögers Bild-Objekte ist dieser Zusammenhang nicht von Relevanz, da sein Wirken von vornherein auf eine Dreidimensionalität ausgerichtet ist. Das Werk Nögers definiert sich daher gänzlich anders: es bleibt ein Bild. Bild ist es deshalb, da es eine Anschauungsebene bevorzugt, nämlich das Schauen von vorne. Die Seiten des Werkes spielen bei der Betrachtung eine eher untergeordnete Rolle. Das Werk erschließt sich uns durch Schichten, die wir von vorne erkennen müßen.

Zugleich sind die Arbeiten Udo Nögers Objekte deshalb, da die herkömmliche Zweidimensionalität überwunden ist. Allerdings nicht unter einem „negativen“ Aspekt, sondern durch die Erkenntnis einer Notwendigkeit. Wenn es darum geht, eine Bildaussage zu schaffen, in der Licht, Raum und Material den gleichen Rang innehaben, müßen Objekte entstehen.

Die Farbe Weiß, die im engeren Verständnis von Farbtheorien eine Nicht-Farbe ist, eignet sich für den hier beschriebenen künstlerischen Zusammenhang am besten. Im Weiß sammeln sich alle Farben bzw. heben sich alle Farben auf. Daher ist die Farbe Weiß eine Art Matrix, eine Keimschicht, aus der sich die Welt der Farbe entwickelt bzw. in die sie sich zurück zieht. Im 20. Jahrhundert haben besonders die Künstler der Gruppe ZERO, Otto Piene, Heinz Mack und Günter Uecker, sich über einen längeren Zeitraum mit dem Phänomen Weiß beschäftigt. Ihr Anliegen war es, die 50er Jahre, die sich durch eine Hinwendung zu malerischen Prozeßen auszeichnete, im Sinne einer Entgrenzung des Tafelbildes zu überwinden und an die historische Avantgarde, u.a. an Marcel Duchamp anzuschließen.

Udo Nögers Bild-Objekte beziehen sich nicht unmittelbar auf ZERO, ganz gleich, ob er sich mit der Farbe Weiß auseinandersetzt oder nicht. Sie definieren sich auch nicht als aggressive Werke mit Elementen, die in den Raum hinein ausströmen, wie dies beispielweise bei den Nagel-Objekten von Uecker geschieht. Vielmehr gilt es von einer sensiblen Kunst zu sprechen, die ebensolche sensible Betrachterinnen und Betrachter erwarten. Die Sinnesphysiologie definiert mit Sensibilität eine Fähigkeit des menschlichen Nervensystems, auf Umwelteinflüsse mit Sinneseindrücken und Sinnesempfindungen zu reagieren. Sensibilität bedeutet die Aufnahme und Integration der auf uns zukommenden Erregungen. Oberflächensensibilität und Tiefensensibilität bilden hierbei eine Ganzheit, die sich dadurch auszeichnet, daß der Mensch seine Welt der Empfindung mit einem körperlichen Ausdruck verbindet. Bei der Betrachtung der Werke Udo Nögers geschieht aufgrund ihrer sensiblen Struktur bei uns genau dies. Der Wille zur Berührung des Bildes, seiner Oberfläche ist immens stark. Unsere Ratio sagt uns, daß wir als erwachsene und vernünftige Menschen dies nicht tu sollten. Manchmal obsiegt unsere Emotion. Wir haben die Kunst verstanden.

 zurück zur Übersicht Presse